Stand der Edition

Die Bände 1 und 2 der Reihe VIII

Im Jahr 2009 erschien der erste Band (xlvi, 680 Seiten) der naturwissenschaftlichen, medizinischen und technischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. Auf 633 Seiten Editions-text enthält VIII,1 Schriften und Marginalien in Form von 71 Stücken, die in den Jahren 1668 bis 1676 und ganz überwiegend in Paris (1672-1676) entstanden sind. In dieser Zeit beschäftigt sich Leibniz intensiv und produktiv mit unterschiedlichen Themen auf verschiedenen Gebieten, entdeckt neue Felder für sich und setzt sich mit Zeitgenossen und dem Erkenntnisstand seiner Zeit auseinander. Demnach forscht und schreibt Leibniz von 1669 bis zu seiner Abreise nach Paris auf den Gebieten der Nautik und Optik. Darüber hinaus beschäftigt er sich in diesem Zeitraum mit Technik, worüber Band VIII,1 für jedes Jahr (bis auf 1674) Stücke enthält (N. 56 - N. 71). Problemen der Nautik und der Optik geht Leibniz in den ersten beiden Jahren und im letzten Jahr seines Aufenthalts nach, und dies für beide Gebiete in annährend gleichem Umfang an Seiten (N. 2 - N. 13 bzw. N. 14 - N. 35). Hinzu kommt aber vor allem noch das Gebiet der Pneumatik (N. 36 - N. 55), der sich Leibniz besonders stark in den Jahren 1672 und 1673 widmete. Dieses Thema nimmt überhaupt den größten Umfang an Seiten unter den in VIII,1 edierten Schriften ein.

Der im Leibniz-Jahr 2016 erschienene zweite Band (xlviii, 820 Seiten) der Reihe deckt denselben Zeitraum ab. Wie im ersten Band entspricht auch hier die thematische Einteilung nicht unserem heutigen Verständnis von Disziplinen und Fachgrenzen. Sie folgt derjenigen Klassifikation, die Leibniz selbst in seinen Observata Philosophica (VIII,1 N. 1) liefert. Themen, die daraus im zweiten Band (VIII,2) neu hinzukommen, sind Astronomie (N. 1, N. 2), Magnetismus (N. 3 - N. 6), Mechanik (N. 7 - N. 52), Meteorologie (N. 53, N. 54), Physik (N. 55 -N. 57), Anatomie (N. 58), Botanik (N. 59, N. 60), Chemie (N. 61 - N. 65), Medizin (N. 66 - N. 77) und Miscellanea (N. 78 - N. 81). Der zweite Band umfasst damit erstmals alle drei Teilbereiche der Reihe. Die 99 Stücke auf 771 Seiten Editionstext verteilen sich auf Gebiete der Naturwissenschaften (63 Stücke, 562 S.), der Medizin bzw. Lebenswissenschaften (15 Stücke, 128 S.) sowie der Technik (17 Stücke, 62 Seiten); daneben gehören vier Stücke zur Rubrik Miscellanea. Keine der im zweiten Band herausgegebenen Schriften war zu Leibniz’ Lebzeiten erschienen. 85 Stücke werden hier erstmals veröffentlicht; der Text von insgesamt 14 Stücken ist teilweise oder ganz im Zeitraum von 1849 bis 2001 abgedruckt worden.
Schriften zur Mechanik haben den weitaus größten Anteil am zweiten Band, was sowohl die Anzahl der Stücke (46) als auch den Seitenumfang (374 Seiten) angeht. Leibniz beschäftigt sich hier mit verschiedenen Teilgebieten der Mechanik, die er in seiner Klassifikation von 1673 nicht eigens berücksichtigt. Hierzu zählen die Unterrubriken Allgemeines, Bewegung, Festigkeit, Kraft, Reibung, spezielle Probleme und Stoß. Innerhalb der Mechanik sind es die Stücke zur Reibung (123 Seiten), die mit Abstand den größten Umfang einnehmen, gefolgt von Stücken zu allgemeinen Problemen (80 Seiten); quantitativ folgen hierauf die Stücke zum Stoß (42 Seiten), zum Kraftbegriff (38 Seiten), zur Festigkeit (35 Seiten), zu speziellen Problemen (33 Seiten) und zur Bewegung (23 Seiten).
Die in VIII,2 edierten Stücke zeigen, dass sich Leibniz in jedem Jahr seiner Pariser Zeit mit Technik und Mechanik beschäftigte. In der Mechanik konzentrierte er sich 1672 auf die Festigkeitslehre, 1674 auf den Kraftbegriff und 1675 auf Reibungsphänomene; letztere behandelt er besonders ausgiebig. Gemessen an dem Umfang seiner in VIII,2 edierten Schriften setzt sich Leibniz mit dem Stoß ähnlich intensiv auseinander wie mit Festigkeit und Kraft. Seine Beschäftigung damit verläuft jedoch zeitlich gestreckt, wobei aus dem letzten Jahr seines Paris-Aufenthaltes kein Stück zum Stoß stammt. In diesem letzten Jahr überwiegen Themen, die nicht in den Bereich der Technik und Mechanik fallen, sondern den Lebenswissenschaften zuzurechnen sind.

Werden die Bände VIII,1 und VIII,2 ihrer chronologischen Einheit entsprechend zusammen betrachtet, lässt sich anhand der edierten Stücke eine Abfolge von Schwerpunkten für die Pariser Jahre erkennen: 1672 arbeitet Leibniz intensiv auf dem Gebiet der Pneumatik, während er die Festigkeitslehre für sich entdeckt; 1673 steht weiter die Pneumatik im Zentrum, daneben beschäftigt er sich mit Optik; 1674 setzt er sich mit dem Kraftbegriff auseinander; 1675 untersucht er Phänomene der Reibung, liefert hierfür eine begriffliche Differenzierung und mathematische Beschreibung; 1676 beschäftigt er sich überwiegend mit Themen, die in die Bereiche Anatomie, Medizin und Botanik fallen.

 

Die weiteren Bände: VIII,3

Leibnizens Abschied aus Paris liefert eine Zäsur für die Reihenplanung, an der die chronologische Ordnung von einer inhaltlichen abgelöst wird. Die Bände 1 und 2 der Reihe enthalten diejenigen Schriften, von denen als sicher gelten durfte, dass Leibniz sie während seines Aufenthalts in Paris (1672–1676) oder davor abgefasst hatte. Die weiteren Bände der Reihe sind für die Schriften bestimmt, die in der Zeit nach Paris entstanden sind oder entstanden sein könnten. Für ihre Planung ist das Prinzip einer chronologischen Anordnung nicht haltbar, weil sie ganz überwiegend undatiert überliefert sind und für die zu erschließende Datierung der viel größere Zeitraum von Ende 1676 bis zu Leibnizens Tod in Frage kommt. Datierungen zu erschließen, ist ein Ergebnis der Forschung, die Hand in Hand mit der Aufnahme und Edition der Stücke erfolgt und nicht getrennt davon oder im Vorfeld erbracht werden kann, ohne den auf Bände kalkulierten Bearbeitungs-fortschritt und Veröffentlichungsplan des Vorhabens aufzugeben. Daher folgt die Reihenplanung für die Bände drei bis zwölf dem Prinzip der Modularisierung, d.h. einer Edition des Materials nach Teilbereichen (naturwissenschaftliche, medizinische, technische Schriften) und Themen. Das größte Modul bildet dabei die Mechanik, die allein fünf Teile bzw. Bände der naturwissenschaft-lichen Schriften umfassen wird und deren erster Teil mit Band 3 der Edition vorliegt. Eine chronologische Ordnung der Schriften gilt hier wie in allen weiteren Bänden der Reihe nur noch innerhalb der Themenabschnitte (Rubriken und Unterrubriken) eines Bandes. Zeiträume, die im Titel der Bände in Klammern mit angeführt werden, liefern für die Bändeplanung kein Kriterium, sondern vermerken lediglich die Spanne der für die Stücke des jeweiligen Bandes erschlossenen Datierungen.

Der dritte Band der naturwissenschaftlichen, medizinischen und technischen Schriften vereint 79 Stücke aus den Gebieten Akustik, Elastizität, Festigkeit und Stoß und liefert damit den ersten Teil der voraussichtlich fünf Bände umfassenden Schriften zur Mechanik. Zwölf der im Band nummerierten Stücke (N. 8, N. 12, N. 14, N. 27, N. 28, N. 31, N. 32, N. 42, N. 43, N. 58, N. 65, N. 77) gliedern sich insgesamt in 51 Unterstücke, so dass LSB VIII, 3 mit 118 Einzelstücken vorliegt, die zusammen 421 Nachzeichnungen von Diagrammen und Abbildungen enthalten, von denen drei zusätzlich in Reproduktion der handschriftlichen Vorlage (Faksimile) wiedergegeben werden (N. 84, N. 11, N. 146).

Unter den Schriften des dritten Bandes bilden diejenigen zu den Gebieten Akustik, Elastizität und Festigkeit eine zusammenhängende und chronologisch geordnete Rubrik mit 33 Stücken (N. 1 bis N. 33 bestehend aus 55 Einzelstücken). Der Grund hierfür ist, dass eine strenge Trennung zwischen diesen Gebieten auf Grundlage der edierten Schriften kaum möglich ist; unscharf getrennt lassen sich aus dieser gemeinsamen Rubrik 20 Einzelstücke eher der Akustik (N. 1, N. 2, N. 81, N. 82, N. 83, N. 84, N. 85, N. 86, N. 9, N. 10, N. 11, N. 12.1, N. 12.2, N. 12.3, N. 12.4, N. 12.5, N. 13, N. 15, N. 32.1, N. 32.2), 23 Einzelstücke der Elastizität (N. 3, N. 4, N. 5, N. 6, N. 7, N. 14.3, N. 14.7, N. 17, N. 18, N. 21, N. 22, N. 23, N. 24, N. 25, N. 26, N. 27.1, N. 27.2, N. 28.1, N. 28.2, N. 29, N. 31.1, N. 31.2, N. 33), und zwölf Einzelstücke der Festigkeit (N. 14.1, N. 14.2, N. 14.4, N. 14.5, N. 14.6, N. 14.8, N. 14.9, N. 14.10, N. 16, N. 19, N. 20, N. 30) zuordnen; die Rubrik Stoß umfasst mit zwei Unterrubriken (II.A. Notizen, Konzepte, Aufzeichnungen; II.B. Auszüge, Rezensionen) insgesamt 44 Stücke (N. 34 bis N. 77.2 bestehend aus 61 Einzelstücken); als Nachträge zu den beiden ersten Bänden der Reihe erscheinen zwei Stücke (N. 78, N. 79).

Nur drei Stücke in Band 3 sind von Leibniz selbst veröffentlicht worden: Ein Aufsatz zur Festigkeitslehre, der 1684 in den Acta eruditorum erschien (N. 14.6), Corrigenda dazu, die fast zehn Jahre später in derselben Zeitschrift gedruckt wurden (N. 14.10), sowie eine Rezension, die 1701 ebenda erschien (N. 77.2). Posthum sind nicht nur dieser Aufsatz aus den Acta eruditorum (N. 146), sondern weitere 23 Einzelstücke des Bandes veröffentlicht worden, davon sechs aus der Rubrik Akustik, Elastizität, Festigkeit bei Ernst Gerland (Nachgelassene Schriften physikalischen, mechanischen und technischen Inhalts, 1906) (N. 11, N. 12.1, N. 12.2, N. 12.3, N. 21, N. 26) und 17 aus der Rubrik Stoß bei Fichant 1994 (N. 42.3, N. 48, N. 49, N. 56, N. 57, N. 58.1 bis N. 58.12), darunter die zwölf Unterstücke von De corporum concursu (N. 58). Es handelt sich hier um vollständige Wiedergaben der Handschriften bezogen auf den gültigen Text (während die gestrichenen Teile unberücksichtigt bleiben). Zumindest teilweise ist der nicht gestrichene Text von zwölf weiteren Stücken zum Stoß bei Michel Fichant (La réforme de la dynamique. De corporum concursu (1678) et autres textes inédits , 1994) erschienen (N. 39, N. 40, N. 41, N. 42.1, N. 43.2, N. 44, N. 46, N. 50, N. 52, N. 53, N. 54, N. 55). Somit liefert dritte Band zu zwei Dritteln Stücke (80 Einzelstücke), die bislang unveröffentlicht waren und macht diese Schriften aus dem Nachlass erstmals einer interessierten Leserschaft zugänglich und in historisch-kritisch edierter Form für die Forschung nutzbar.